Vier Tage Bayern liegen hinter mir: Eine Lesung für Erwachsene und vier Workshops an Schulen gegen Rassismus und Hate Speech. In jeder Schule hing ein Kruzifix. So viel zur Neutralität, von der kopftuchtragende Lehrerinnen in Deutschland häufig nur träumen können.
Die Schüler:innen von der 7. Klasse bis zur Oberstufe waren interessiert und motiviert. Es waren vor allem nicht-Betroffene von Rassismus, die an den Workshops teilgenommen haben, denn ich war überwiegend im ländlichen Raum unterwegs. Ich hörte von Orten, die ich wahrscheinlich niemals kennengelernt hätte: Mainleus, Kemnath, Freising und Weiden. Ich traf Menschen, denen ich sonst niemals begegnet wäre.
In einem Hotel traf ich einen etwa 60-jährigen Thüringer, der in Bayern auf Montage war. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ich Thüringen besonders vorsichtig bin, weil die AfD dort sehr stark ist. Er ist weiß und hat nichts zu befürchten, lebt mit seiner Familie zurückgezogen in einem Dorf, wählt die CDU und möchte mit den Problemen der Außenwelt nichts zu tun haben. Er kann sich zurückziehen und unsichtbar sein – ich nicht. Das hat ihn nachdenklich gemacht.
Meine letzte Veranstaltung war eine Lesung meines Buches „Bloggen gegen Rassismus“ in Freising. Ein schwarzer Teilnehmer, dessen Name ich leider nicht kenne, hat sich zu Wort gemeldet. Er beklagte den alltäglichen Rassismus in Behörden, in der Uni, bei der Jobsuche. Rassismus ist eine permanente Bedrohung. Er öffnete mit seiner Schilderung den nicht-Betroffenen Menschen von Rassismus die Augen. Es war ein sehr bewegender Moment.
Auf dem Weg zurück ging es über München. Ich hatte etwa zwei Stunden in der Landeshauptstadt und schaute mich am Bahnhof um. Mit Rucksack und Rollkoffer lief ich in Richtung Altstadt am Marienplatz vorbei und machte Halt vor einem Straßenmusiker, dem ich eine halbe Stunde zuhörte Ich saß auf einer Bank und hörte mir die Musik aus der Ferne an. Dann ging ich auf ihn zu, um mich für seine Musik zu bedanken und er fragte mich gleich, woher ich komme. Er akzeptierte meine Antwort nicht und hakte mehrmals nach.
Solch ein Gespräch habe ich gefühlt 100 Mal geführt. Die Frage wird mich deutschlandweit auf meinen Reisen begleiten, denn ich kann mich eben nicht unsichtbar machen, wie der weiße Mann aus Thüringen.