Sobald ich von weißen Menschen umgeben bin, bin ich in Alarmbereitschaft. Ich leide an keiner Paranoia, sondern versuche mich vor Alltagsrassismus zu schützen. Ein Beispiel: Meine Frau und ich spazieren an einem schönen sommerlichen Tag im Park. Wir unterhalten uns ausgelassen, bis ein älteres Ehepaar an uns vorbeiläuft. Plötzlich flüstert die Seniorin ihrem Mann entgegen: „Schau mal, wie die Frau unterdrückt wird und ihrem Mann hinterherlaufen muss.”
Alltagsrassismus in der Freizeit
Ich bin vielleicht eine Nasenlänge vor meiner Frau gelaufen, was übrigens nichts zu bedeuten hatte. Aus Sicht der Seniorin waren das Kopftuch meiner Frau und meine schwarzen Haare das Problem. Das haben wir erfahren, als wir die Dame mit ihren Worten konfrontiert haben. Es machte jedoch keinen Sinn, ihr den eigenen Rassismus vor Augen zu führen.
Diese Situation ist nur eine von vielen, in denen ich Alltagsrassismus erlebt habe. Es kann theoretisch immer und überall passieren, sei es in der Schule, auf der Arbeit, wenn Fußballfans durch die Stadt ziehen, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn ich an der
Kasse stehe etc.
Die Gefahr ist immer da
Überall. Überall, wo ich mit Menschen aus der sogenannten Mehrheitsgesellschaft in Kontakt trete. Ich stelle sie nicht unter Generalverdacht, aber die Gefahr ist eben immer präsent.
Die ständige Alarmbereitschaft raubt mir und vielen anderen Betroffenen die Leichtigkeit im Alltag. Ich stelle mich jederzeit auf eine übergriffige Bemerkung oder körperliche Handlung ein, die subtil oder ganz offen und aggressiv auftreten kann.
Es ist nicht so, dass ich jeden Moment darüber nachdenke, aber die Sorge vor Alltagsrassismus schwingt immer mit. Insofern hatte der Lockdown neben all den Belastungen auch etwas positives, weil ich weniger Menschen begegnet bin.
Um mich sicherer zu fühlen, habe ich schon vor Jahren Trainings gegen Alltagsrassismus und Stammtischparolen besucht. Das war leider notwendig und kann ich jeder migrantisierten und rassifizierten Person empfehlen!
Erstveröffentlichung, DOntHateBlog, 24.03.2021:
https://www.facebook.com/donthateblog/posts/261455188989626