„Deutschland. Aber normal“. Mit diesem Slogan ist die AfD in den Bundestagswahlkampf gezogen. Da stellt sich die Frage, was die AfD eigentlich unter normal versteht und ob ich per Definition der rechtsradikalen bis rechtsextremen Partei normal bin.
Ich bin 1,80 Meter groß und wiege 85 Kilogramm. Damit bin ich für einen Deutschen durchschnittlich groß und schwer. Andererseits weiche ich als Muslim mit libanesischem Migrationshintergrund von der Norm ab, denn 64 Prozent der Deutschen ordnen sich einer christlichen Religionsgemeinschaft zu und jede dritte Person hierzulande hat keinen sogenannten Migrationshintergrund.
Ich bin hingegen heterosexuell, so wie etwa 93 Prozent der Bevölkerung. Außerdem bin ich nicht schwerbehindert, so wie 90,5 Prozent der Bevölkerung ebenfalls nicht. Jeder Mensch, der in irgendeiner Hinsicht vom Durchschnitt abweicht, sollte angesichts des AfD-Slogans in Alarmbereitschaft sein.
Ein Blick hinter die Wahlkampfplakate spricht Bände. Die AfD erklärt auf ihrer Website, was sie unter „normal“ versteht: „Wir wollen deutsche Leitkultur statt Parallelgesellschaften!“, “Wir wollen unsere Traditionen und unsere Kulturlandschaften pflegen!“, „Wir wollen deutsche Kultur und Geschichte im Schulunterricht stärker vermitteln!“
Die Forderung nach einer deutschen Leitkultur ist nicht neu und ist in den Nullerjahren vor allem aus CDU-Kreisen forciert worden. Gemeint ist mit Leitkultur vor allem, dass sich Zugewanderte den Bräuchen, Sitten und Traditionen der Mehrheit anpassen müssten, also letztlich nichts anderes als Assimilation.
Solche Forderungen sind, wenn man sie zu Ende denkt, mit dem Grundgesetz unvereinbar. Leitkultur schafft nämlich ein Machtgefälle zwischen den Menschen in diesem Land und widerspricht dem Gleichheitsgebot. Es geht den Staat und vor allem die AfD nichts an, wie sich Menschen begrüßen, kleiden, ihre Kinder erziehen, wen und wie sie lieben, solange sich alle an das geltende Gesetz halten.
Die Leitkultur-Debatte ist der Versuch, gesellschaftlichen Druck auf Minderheiten auszuüben, um ihr Verhalten an die Mehrheit anzupassen. Es ist vor allem ein perfider Versuch der AfD, darüber zu entscheiden, was eigentlich normal in diesem Land ist. Darauf hat Sebastian Krumbiegel (Die Prinzen) sehr deutlich gesagt: „Rassismus ist nicht normal“.
Erstveröffentlichung: DOntHateBlog, 30.08.2021