Einleitung
Jeder vierte Bürger in Deutschland hat nach Angaben des statistischen Bundesamts einen sogenannten Migrationshintergrund. Die ca. vier Millionen in Deutschland lebenden Muslime stellen die größte Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund dar, da die Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime eingewandert ist.
Dennoch gibt es immer wiederkehrende öffentlich geführte Debatten darüber, ob der Islam und/oder die Muslime nun ein Teil Deutschlands sind oder nicht; ob wir in einer multikulturellen Gesellschaft leben oder nicht; ob die Bundesrepublik eine Einwanderungs- oder Zuwanderungsgesellschaft ist und nicht zuletzt die Frage, ob Integration oder Assimilation das Gebot der Stunde ist, wenn es um die in Deutschland lebenden Muslime geht. Vor allem letztere Begriffe werden häufig missverstanden oder missverständlich verwendet, so dass in weiten Kreisen Uneinigkeit und Unkenntnis darüber vorherrscht, welche Bedeutung mit diesen Begriffen einhergeht.
Spricht man hierzulande über Integration, sind in der Regel Migranten, speziell Türken und noch spezieller Muslime damit gemeint. Die Muster der öffentlichen Integrationsdebatten in Bezug auf die Muslime gleichen sich in ihren Verläufen. Negativthemen wie Unterdrückung der Frauen, Intoleranz, Gewaltbereitschaft und Rückständigkeit dominieren die Medienberichterstattung. Die Gründerin des Instituts für Medienverantwortung, Sabine Schiffer, stellte in diesem Zusammenhang fest, dass die Negativberichterstattung über den Islam nach dem 11. September nicht qualitativ, sondern vielmehr quantitativ zugenommen hat. Vor diesem Hintergrund ist es nicht weiter erstaunlich, dass in einer der größten repräsentativen Studie zur religiösen Vielfalt in Europa, mit dem Titel „Wahrnehmung und Akzeptanz religiöser Vielfalt“ festgestellt wurde, dass die Mehrheit der Menschen in Deutschland, negative Attribute wie Rückständigkeit, Intoleranz, Engstirnigkeit und Unterdrückung der Frauen, mit dem Islam in Verbindung setzen (vgl. Pollack 2010: 5).
Die Negativeinstellungen gegenüber Muslime sind jedoch nicht Kern des hier zu behandelnden Problems, sie sind Ausdruck von Zuschreibungen von denen Muslime betroffen sind und Auswirkung eines Phänomens, welches als Islamisierung sozialer Probleme bezeichnet wird. Dabei werden soziale Probleme von denen Muslime betroffen sind mit dem Islam implizit oder direkt zu erklären versucht. Die islamische Religionszugehörigkeit gilt dieser Vorgehensweise entsprechend als Ursache sozialer Probleme oder entscheidendes Handlungsmotiv der Muslime. Andere Einflussfaktoren werden entweder nicht angemessen berücksichtigt oder nicht in Erwägung gezogen. Beispiele für die Islamisierung sozialer Probleme sind die sogenannten, von Muslimen begangenen Ehrenmorde, andere strafrechtlich relevante Tatbestände, Erwerbslosigkeit oder Bildungsdefizite.
Vor allem am Beispiel der Bildungsabschlüsse lässt sich die Islamisierung sozialer Probleme sehr gut beobachten. Einen maßgeblichen Integrationsindikator stellt der Bildungserfolg dar. Der repräsentativen Studie mit dem Titel „Muslimisches Leben in Deutschland“ (Haug/Müssig/Stichs 2009) zufolge gibt es auf Seiten der Muslime größere Bildungsdefizite im Vergleich zu Nicht-Muslimen. Es wäre zu kurz gegriffen, wenn man die Bildungsdefizite auf Seiten der Muslime, ausschließlich mit ihrer Religionszugehörigkeit erklärt und daraus die Schlussfolgerung zieht, dass Muslime aufgrund ihres Muslimseins nicht integriert oder integrierbar seien.
Genau jenen kausalen Zusammenhang stellt jedoch Thilo Sarrazin in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ (2010) dar. Er reduziert die Muslime auf ihre Gene und erklärt, dass sie aufgrund dieser nicht integrationsfähig seien. Er steigert die Islamisierung sozialer Probleme insofern, als er die Religionszugehörigkeit nicht nur als Ursache sozialer Probleme erklärt, sondern spricht in diesem Zusammenhang bereits von Vererbung sozialer Probleme, bedingt durch die islamische Religionszugehörigkeit:
„Besorgniserregend ist, dass die (…) Probleme der muslimischen Migranten auch bei der zweiten und dritten Generation auftreten, sich also quasi vererben, wie der Vergleich der Bildungsabschlüsse (…) zeigt“ (Sarazzin 2010: 284).
Link zur Bachelorarbeit: Strukturelle Integration der Muslime