Schon bald reise ich in den Libanon. Nach etwa zwölf Jahren ist es mein erster Urlaub in das Herkunftsland meiner Eltern. Mein Name ist Said Rezek und meine Eltern sind 1986 aus dem Libanon nach Deutschland eingewandert. Damals bin ich als blinder Passagier ins Flugzeug gestiegen. Im Bauch meiner Mutter. Sie war im vierten Monat schwanger.
Obwohl ich seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr im Libanon war, fühle ich mich dem Land sehr verbunden. Der Großteil meiner Familie lebt dort und ich habe viele Erinnerungen an frühere Reisen in die Region.
Dennoch bin ich aufgeregt, denn ich habe meine Bekannten und Verwandten seit langer Zeit nicht gesehen. Zudem raten mir viele Menschen in meinem Umfeld von dieser Reise ab, weil die Wirtschafts- und Sicherheitslage sehr angespannt ist. Auch das Auswärtige Amt in Deutschland hat eine Teilreisewarnung für den Libanon verhängt, aber auch das hält mich nicht davon ab, denn die Sehnsucht ist größer als die Sorge.
Ich treffe bei dieser Reise keine rationale, sondern eine emotionale Entscheidung. Und das, obwohl ich normalerweise meinem Verstand folge. In diesem Fall höre ich auf mein Herz. Es ist, wie mit der Liebe. Wenn wir eine Beziehung eingehen, dann ist der Ausgang ungewiss. Statistisch gesehen wird etwa jede dritte Ehe hierzulande geschieden. Trotzdem haben im vergangenen Jahr 358.000 Menschen geheiratet.
Ich gehe mit meiner Libanonreise ein gewisses Risiko ein, aber ich würde es bereuen, wenn ich diesen Urlaub nicht unternehmen würde. Im schlimmsten Fall sterben Verwandte und ich sehe sie vorher nicht mehr. So war es bei meinem Großvater, von dem ich mich nicht verabschieden konnte. Möge er in Frieden ruhen.
Wenn ich demnächst eine Weile im Libanon bin, dann werde ich vermutlich Deutschland vermissen, so wie bei meinen bisherigen Libanonreisen. Auch Deutschland ist meine Heimat. Während ich in einer Beziehung nur einer Frau mein Herz schenke, mache ich bei Heimat(en) eine Ausnahme. Es zerreißt mir nicht das Herz, denn es schlagen zwei Herzen in meiner Brust.