Assad sei – entgegen den Behauptungen der USA – zu Verhandlungen bereit, so Jürgen Todenhöfer im MiGAZIN Interview. Daran habe die US-Regierung aber kein Interesse. Dass es den Amerikanern im Mittleren Osten um Demokratie und Menschenrechte ginge, hält Todenhöfer für einen Mythos.
Herr Todenhöfer, Sie haben Syrien mehrmals bereist und auch Baschar al-Assad mehrmals getroffen. Teilen Sie die Einstellung in weiten Teilen westlicher Medien, Assad sei ein Diktator?
Jürgen Todenhöfer: Assad ist sicher ein Diktator, ein autoritärer Herrscher. Ich habe in Syrien übrigens nicht nur Assad getroffen. Viel häufiger habe ich Oppositionelle und Rebellen, Al Kaida Kämpfer, Anhänger der Freien Syrischen Armee (FSA) getroffen und war bei Freitagsdemonstrationen in Homs selbst dabei. Das heißt, ich habe versucht, mir beide Seiten anzuschauen.
Welchen Eindruck hatten sie von Assad?
Todenhöfer: Ich hatte fünf ausführliche Gespräche mit Assad. Ich glaube, dass man selbst nach zehn Stunden einen Menschen nicht wirklich genau charakterisieren kann. Ich bin kein Psychologe, aber ich hatte den Eindruck, dass er kein emotionaler, sondern ein sehr rationaler, kopfgesteuerter Mensch ist. Also ganz anders als ein Gaddafi. Er wirkt wie ein Akademiker. Er ist ja einer, als Augenarzt.
Eine These in ihrem neuen Buch „Du sollst nicht töten“ lautet: Ohne Assad wird es keinen Frieden in Syrien geben. Wie begründen Sie das?
Todenhöfer: Es ist die Aussage mehrerer Oppositioneller. Zum Beispiel von Al Chaeier. Einem Christen, den ich in Syrien getroffen habe. Er hat 15 Jahre in den Gefängnissen von Hafiz und Baschar Al Assad verbracht. Den Großteil unter Hafiz, aber auch unter Baschar. Er hat mir mit Tränen in den Augen gesagt: „Ein friedlicher Übergang zu Demokratie wird nur zusammen mit Assad möglich sein.“ Ich war völlig verblüfft und habe nachgefragt, wie er das nach 15 Jahren Gefängnis sagen könne. Er hat gesagt: „Das ist die Wahrheit.“ Und das haben mir viele Menschen gesagt.
Was sind die Gründe für diese Einschätzung?
Todenhöfer: Ich glaube einer der Gründe ist die militärische Macht Assads. Ein weiterer Grund – und das war auch für mich eine Überraschung, nachdem ich die Revolutionen in Libyen und Ägypten gesehen hatte – ist, dass große Bevölkerungsteile hinter ihm stehen, und zwar nicht nur die Minderheiten, sondern auch die sunnitische Mittel- und Oberschicht. Das ist auch der Grund, warum die Voraussage des Westens, Assad würde in den nächsten vier Wochen stürzen, nach zwei Jahren nicht eingetreten ist.
Es gibt einen beachtlichen Prozentsatz der Bevölkerung, der hinter ihm steht. Mein Eindruck ist, dass der Zuspruch zu Assad eher gestiegen als nachgelassen hat. Ein Großteil der Bevölkerung kann nicht vorstellen, von Al-Nusra oder ähnlichen radikalen Rebellen regiert zu werden. Die Menschen nehmen diese Haltung nicht aus Begeisterung zu Assad ein.
Bei einem Giftgasangriff wurden in Syrien mehr als tausend Menschen getötet. Laut USA ist Assad verantwortlich, Russland bezweifelt das. Wer hat recht?
Todenhöfer: Ich weiß nicht, welcher Verbrecher diese unbestreitbare Scheußlichkeit begangen hat. Aber was ich bisher von John Kerry gehört habe, war nicht überzeugend, teilweise auch historisch völlig falsch. Seine Aussage, wer in der Geschichte bisher chemische Waffen eingesetzt hat, zeigt, dass er sich in der Schule offenbar nicht konzentriert mit Geschichte befasst hat.
Beispielsweise behauptet er, nur Hitler, Saddam Hussein und Assad hätten seit dem Genfer Abkommen von 1925 chemische Waffen eingesetzt. Dabei haben das im Zweiten Weltkrieg auch die Japaner und Italiener getan. Churchill hat nach dem Ersten Weltkrieg gegen irakische Rebellen chemische Waffen eingesetzt und wie er gesagt hat „mit erstaunlichem Erfolg“. Amerika hat wahrscheinlich immer noch die größten Chemiewaffenbestände der Welt, obwohl sie seit Jahren dazu verpflichtet wären, alle ihre Bestände zu zerstören.
Amerika hätte den Einfluss, die Waffenlieferungen aus Saudi-Arabien und Qatar zu stoppen. Seit zwei Jahren werden diese aber durchgewunken. So konnte aus legitimen und friedlichen Demonstrationen ein gewaltsamer Bürgerkrieg werden. Das momentane Vorgehen der USA erinnert mich an ein Zitat von Johann Peter Hebel: „Wenn er‘s gewesen ist, geschieht‘s ihm recht und wenn er es nicht gewesen ist, dann ist es ihm eine Lehre.“
Was meinen Sie?
Todenhöfer: Nach dieser Rechtsauffassung gehen die USA gerade gegen Assad vor. Es geschieht ihm Recht. Es wird ja nicht einmal aufseiten der Amerikaner diskutiert, ob es anders gewesen sein könnte. Und es wird auch nicht diskutiert, ob es nicht generell klüger ist, die Konflikte mit Verhandlungen zu lösen. Selbst wenn Assad tatsächlich derart unvorstellbar töricht und kriminell wäre, dass er den Chemiewaffeneinsatz begangen hätte und das er dafür jetzt, wie die Amerikaner sagen, bestraft werden müsste. Dann frage ich mich als Jurist: Hat es jemals eine Bestrafung der USA wegen des Napalm-und-Agent-Orange-Einsatzes der USA in Vietnam gegeben? Hat es jemals eine Bestrafung einer amerikanischen Regierung, wegen des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges gegen den Irak gegeben? Nie! Nie! Man kann nicht mit zweierlei Maß messen. Und diese Doppelmoral bereitet vielen Menschen große Schwierigkeiten, die eigentlich von Amerika viel halten, bis auf seine Außenpolitik.
Zurück zum Chemiewaffeneinsatz: Sie glauben nicht daran, dass es Assad war?
Todenhöfer: Wenn man überlegt, wen ein solcher Anschlag nützt – und ich spreche jetzt nicht über Beweise, dann wäre es erstaunlich und nicht sehr plausibel, dass Assad Inspektoren in sein Land einlädt und wenige Stunden später, nachdem sie angekommen sind, einen mörderischen Chemiewaffenangriff in Hör- und Sehweite ihres Hotels mit schrecklich vielen Toten durchführen lässt. Außerdem ist es nicht sehr plausibel, da zahlreiche Soldaten von Assad schwer verletzt worden sind. Ich habe keinen Gegenbeweis aber wenn sie die Plausibilität prüfen, dann spricht Vieles dagegen.
Wenn das nicht plausibel ist, wer könnte es dann gewesen sein?
Todenhöfer: Es gab vor Monaten Berichte, dass in der Türkei 12 Personen festgenommen worden sind, bei denen man 2 Kilo Sarin gefunden hat. Der Fall ist öffentlich diskutiert- und bekannt geworden. Etwa im selben Zeitraum sind im Irak Terroristen festgenommen worden, die an chemischen Kampfstoffen arbeiteten. Carla del Ponte, ehemalige Chefanklägerin des internationalen Strafgerichtshofes, die Mitglied der UN-Expertenkommission in Syrien ist, hat sich im Mai mit den angeblichen Chemiewaffeneinsätzen in Syrien befasst und gesagt, es gäbe starke Hinweise, dass die Rebellen in Aleppo „Chemiewaffen eingesetzt und auf das Gas Sarin zurückgegriffen haben“.
Assad hat damals Teile des Materials von Aleppo nach Russland geschickt, mit der Bitte, es zu untersuchen. Er hatte vorher auch die Vereinten Nationen über den Anschlag in Aleppo informiert und die Inspektoren eingeladen, diesen Vorfall zu überprüfen. Die sind aber nicht gekommen. Als sie dann vor wenigen Tagen doch nach Syrien gereist sind, kam es zu diesem schrecklichen Massaker. Und komischerweise haben die UN-Inspekteure nur das Mandat herauszufinden, ob chemische Waffen eingesetzt wurden, aber nicht von wem.
Das einzige, was ich mit Sicherheit weiß, ist also, dass die Beweislage so ungeklärt ist, dass ich mir als Richter weder gegen die Rebellen noch gegen die Regierung ein Urteil anmaßen würde.
Welchen Stellenwert haben US-amerikanische Einschätzungen noch?
Todenhöfer: Wir haben hier einen ähnlichen Fall wie im Irak. Damals hat auch ein Außenminister mit ernster Stimme gesagt, wir haben überzeugende Beweise. Er hatte nichts. Er hat der Weltöffentlichkeit Lkws als mobile Laboratorien für biologische Waffen verkauft. Die Bombardierung Nordvietnams haben die Amerikaner damit begründet, dass eines ihrer Kriegsschiffe im Golf von Tonkin von Vietnamesen angegriffen worden sei. Diese nachträglich erwiesene Lüge hat ihnen den Vorwand gegeben, Nordvietnam ausgiebig und großflächig bombardieren zu können. Wir sind im Afghanistankrieg und man hat uns über zehn Jahre lang die Unwahrheit gesagt.
Das heißt: Wir haben eine Serie von Lügenkriegen hinter uns und diese Serie hatte immer katastrophale Folgen. Ich habe Vietnam besucht. Die Menschen leiden jetzt noch unter dem Trauma. Es sind Hunderttausende gestorben. Im Irak sind 1,5 Millionen Menschen gestorben, in Afghanistan und Pakistan circa 150.000. Das sind Desaster und deswegen sage ich: verhandeln, verhandeln, verhandeln!
Sie sind bekannt als ein Gegner jeder militärischer Intervention…
Todenhöfer: Weil es nur Elend bringt. Lassen sie mich eins sagen und das versuche ich in meinem neuen Buch zu erklären: Kriege werden uns immer geschildert als die Taten von Politikern und Feldherren. Aber Kriege sind in Wirklichkeit das Schicksal von ganz einfachen Menschen, Zivilsten und jungen Soldaten, die man in Kriege schickt. Ich war in Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien. Wenn sie das Elend von Menschen sehen, die getroffen worden sind oder das Schicksal von Menschen, die gefoltert und verstümmelt worden sind, wenn sie das Elend einer jungen Sängerin sehen, die eine Kugel in der Brust stecken hat… Das ist Krieg. Und nicht das, was irgendwelche Politiker wie Barack Obama oder François Hollande erzählen. Krieg ist eine Tragödie. Und es gibt keinen sauberen oder anständigen Krieg. Krieg wird von beiden Seiten unanständig geführt. Es kann auch gar nicht anders sein. Wenn ihr Bruder erschlagen wird dann führen sie den Kampf genauso unanständig wie der Gegner und deswegen bin ich gegen Kriege.
Was wäre die Alternative?
Todenhöfer: Obama müsste John Kerry nach Damaskus schicken statt Marschflugkörper. Verhandlungen sind möglich, das weiß ich sehr konkret. Bei drei meiner Besuche habe ich mit Assad über die Möglichkeit von Verhandlungen gesprochen. Ich habe die amerikanische Regierung über Assads Vorschläge informiert. Die US-Regierung vertritt aber den Standpunkt: Wir reden nicht mit diesem Mann. Obama weiß definitiv, dass Assad zu Verhandlungen mit der amerikanischen Führung bereit ist. Das heißt, die Amerikaner greifen an, obwohl es seit über einem Jahr und sehr konkret seit einigen Monaten Verhandlungsbereitschaft von Assad gibt. Und das, obwohl er auf der Siegerstraße ist, also nicht aus der Position des Schwächeren heraus.
Ich finde es einfach verantwortungslos, nicht mit dem Feind zu sprechen. Früher hat die westliche Politik mit ihren Feinden gesprochen: Kennedy hat in der Kuba Krise mit Kruschow gesprochen, Nixon mit der Führung der Chinesen, Kissinger mit der Führung der Nordvietnamesen, Reagan mit der Führung der Sowjetunion, Willi Brandt hat mit Breschnew, Helmut Schmidt hat mit den Führern Polens. Da wurde Politik gemacht. Da gab es Männer wie Kissinger, Genscher oder Bahr, die nach Verhandlungslösungen gesucht haben. Die Aufgabe von Politikern ist es, nicht Kriege zu ermöglichen, sondern Kriege zu verhindern und das ist in Amerika in den letzten Jahren offensichtlich anders.
Wie schätzen Sie in diesem Zusammenhang die Außenpolitik Deutschlands ein?
Todenhöfer: Ob es um Syrien, Ägypten oder Libyen geht. Die Haltung Deutschlands in all diesen Fragen war unkriegerisch und das fand ich gut.
Die Haltung der USA ist aber eine Andere: In Syrien versuchen sie den säkularen Diktator zu stürzen, in Ägypten haben sie einen Putsch unterstützt. Dass die Amerikaner das weiterhin nicht Putsch nennen, dazu kann ich nur sagen: die Politik ist schwerhörig. Ich sehe nirgendwo eine klare Linie in der Mittelost Politik. Denn die Diktatur in Saudi-Arabien wird von den Amerikanern nicht kritisiert. Das ist aus meiner Sicht eine ziemlich wirre Politik.
In Ägypten habe ich die Revolution auf dem Tahrir-Platz miterlebt. Es war eine friedliche Revolution, auf die die Ägypter stolz sein können. Darüber wird man in 100 Jahren noch sprechen. Mursi war jedoch im Gegensatz zu Mubarak demokratisch gewählt. Ich bin kein Anhänger der Muslimbrüder und doch sage ich: Wenn einem die Politik eines Regierungschefs nach einem Jahr nicht gefällt, kann man ihn nicht einfach wieder stürzen, auch wenn diese Politik häufig sehr unklug war. Wenn man diese Kategorien anwenden würde, hätte man Hollande in Frankreich schon längst stürzen müssen, weil er keines seiner Wahlversprechen einlöst. Demokratie ist kein Wunschkonzert.
Der Putsch war rechtswidrig. Und als Demokrat können sie überhaupt keine andere Position einnehmen. Ich bin a) für Verhandlungslösungen und b) immer für Demokratie weil ich sie für die beste Lösung halte, da die Demokratie die Möglichkeit gibt, Konflikte unblutig zu lösen, zum Beispiel durch Wahlen. Die Muslimbrüder hätten in Ägypten nach 4 Jahren wahrscheinlich eine brachende Niederlage erlitten und dann hätten die Menschen gesehen, ob sie regieren können oder nicht. Jetzt hat man sie durch einen Putsch zu Märtyrern gemacht und die ganze Geschichte beginnt, wie vor 85 Jahren, wieder von vorne.
Und was kann der Westen in Ägypten tun, damit sich die Lage beruhigt?
Todenhöfer: Die Frage ist absurd weil sie eine Unterwürfigkeit gegenüber dem Westen zeigt, wie man den Mittleren Osten sieht, die nicht akzeptabel ist. Wir haben uns im Nahen Osten schon genug eingemischt. In dem Buch: „A Peace to end all Peace“ von David Fromkin wird gezeigt, wie das Osmanische Reich in kleine Stücke geschnitten und aufgeteilt wurde. Da sind künstliche Grenzen gezogen worden. Darunter leidet heute der gesamte Mittlere Osten. Da sind die Konflikte zwischen den verschiedenen Religionsgruppen im Libanon, Syrien und Irak begründet worden – aus ausschließlich machtpolitischen Gesichtspunkten.
Der Westen sollte sich also komplett heraushalten?
Todenhöfer: Der Westen hat immer zwei Möglichkeiten. Das eine ist, dass man Demokratie und Rechtsstaatlichkeit vorlebt und nicht mit Füßen tritt. Die USA können Menschen fast weltweit, wenn Terrorverdacht gegen sie besteht, für Jahrzehnte verschwinden lassen, ohne dass sie jemals einem Richter vorgeführt werden. In Amerika gab es ein ganz hohes Prinzip, dass man nur töten durfte, wenn ein Richter das entschieden hat. Inzwischen sitzt Obama in seinem Sessel und notiert, welche Personen durch Drohnenangriffe im Jemen, Pakistan, Somalia, Afghanistan mit Drohnen getötet werden. Und wenn man Rechtsstaatlichkeit selbst nicht einhält, kann man Rechtsstaatlichkeit in anderen Ländern schwer durchsetzen. Die zweite Möglichkeit, die wir haben ist, dass wir versuchen, Verhandlungslösungen zu favorisieren, und da nimmt Amerika eine Sonderrolle ein.
Es geht in Syrien also nicht um Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte?
Todenhöfer: Der Syrien-Konflikt findet auf mehreren Ebenen statt. Menschenrechte sind der letzte Grund.
Auf der Ersten führen die USA, Saudi-Arabien und Qatar in Syrien einen Stellvertreterkrieg gegen den Iran. Mit Assad soll Irans wichtigster Verbündeter in der Region ausgeschaltet werden. Auf der zweiten Ebene kämpfen extremistische Sunniten einen Konfessionskrieg gegen Alawiten und Schiiten. Auf der dritten Ebene gibt es eine Fortsetzung des Ost-West-Konfliktes. Auf der vierten Ebene – und das ist am wichtigsten – geht es um Macht.
Ich vertrete die These, dass die Amerikaner im ölreichen Nahen Osten überhaupt keine Demokratie wollen. Das wäre ja schrecklich, wenn es in Saudi-Arabien und Qatar und überall dort, wo es Erdöl gibt, alle vier Jahre eine neue Regierung geben könnte, die dann mit den Amerikanern neu verhandeln wollen würden. Das wäre wirtschaftlich gesehen eine Horrorvorstellung für die USA. Amerika will doch im Mittleren Osten keine Demokratie. Nein, sie wollen Kontrolle.
Welche Verantwortung tragen Deutschland und Europa für die Menschen in Syrien und den umliegenden Ländern, die aufgrund der Unruhen flüchten? Sollte Deutschland beispielsweise mehr Flüchtlinge aus diesen Ländern aufnehmen als nur 5.000?
Todenhöfer: Tendenz ja, aber das ist nicht die Lösung des Problems. Wir brauchen eine Friedenslösung, damit die Menschen nicht mehr fliehen müssen. Nach den Raketenabwürfen der Amerikaner werden aber noch mehr Syrer fliehen.
Worauf führen Sie die Proteste in Deutschland zurück, die gegen Flüchtlinge aus Syrien und anderen arabischen Ländern gerichtet sind?
Todenhöfer: Die, die protestieren, haben keine Ahnung, was diese Flüchtlinge durchmachen mussten. Die Flüchtlinge aus Syrien zum Beispiel sind wirklich in Not. In ihrem Land herrscht ein grauenvoller Krieg. Und das Recht auf politisches Asyl ist in unserem Grundgesetz festgeschrieben.
Zwei Fragen zum Abschluss: Was empfinden Sie, wenn Sie NSU Morde hören und welche Konsequenzen hätten Ihrer Meinung nach daraus gezogen werden müssen?
Todenhöfer: Schon der Name dieser Mordserie zeigt, dass man sich dieser grauenvollen Katastrophe nicht wirklich stellen wollte. Warum heißen die sogenannten NSU Morde, eigentlich nicht Immigrantenmorde, Türkenmorde oder Muslimmorde? Wir sollten die Dinge beim Namen nennen – auch die Verbrechen unserer angeblich so aufgeklärten Gesellschaft.
Eine der Konsequenzen hätte sein sollen, dass man Hassreden jeder Art, gegen Ausländer, Minderheiten und Andersgläubige konsequenter ächtet, rassistische Bücher wie Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ zum Beispiel. Stattdessen wurde er damit zum Multimillionär. Viele halten sich für fortschrittlich, weil sie ihren Judenhass abgelegt haben. Aber sie haben ihn durch Antiislamismus ersetzt. Das ist genauso schlimm.
Herr Todenhöfer, vielen Dank für das Gespräch.
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http://www.migazin.de/2013/09/10/usa-obama-syrien-krieg-assad/