Es sitzen sich jeweils drei Personen gegenüber. Eine Gruppe vertritt die populistische These, „Ausländer nehmen den Deutschen die Arbeitsplätze weg“. Auf der anderen Seite des Tisches argumentieren die Teilnehmer sachlich dagegen. Es entsteht eine hitzige Diskussion und ehe sich die Diskutanten versehen, tauschen sie sich über das Schweinefleischverbot für Muslime aus. Bei dieser Szene handelt es sich um ein simuliertes Stammtischgespräch im Rahmen des Workshops.
Die übrigen Teilnehmer sowie die Referentin Dr. Marion Wisinger beobachten das Gespräch und analysieren es anschließend. Der Austausch zeige, dass Stammtischparolen keine inhaltliche Substanz haben, die Vertreter solcher Thesen von Provokationen leben und gegen sachliche Argumente oft immun sind. Umso wichtiger ist es, „sich über das Ziel eines Austausches bewusst zu sein und eine Strategie zu entwickeln“, so die Referentin. Dr. Wisinger kommt aus Wien, ist Historikerin, Trainerin der politischen Bildung, freie Autorin und Vorstandsmitglied der Österreichischen Liga für Menschenrechte.
Die Hetze ist heutzutage heftiger
„Sprüche und Parolen sind in Deutschland und Wien nahezu identisch. Es gibt Parallelen in der Rhetorik zwischen den 1960er Jahren, als die ersten Gastarbeiter eingewandert sind und heute. Die Heftigkeit der Sprache hat sich in den letzten Jahren jedoch zugespitzt. Dies liegt nicht zuletzt am Rechtsruck in Europa“, so die Historikerin.
Die AfD ist laut Dr. Wisinger eine eindeutig rechtspopulistische bis rechtsextreme Partei. „Sie zeichnet sich durch eine autoritäre Politik aus, die mit Gesetzesverschärfungen einhergeht, sowie die unterschiedliche Bewertung von Menschen aufgrund ihrer Ethnie und Religionszugehörigkeit.“
Diskriminierung gehört zum Alltag der Teilnehmer
Eine Teilnehmerin begründet den Workshopbesuch mit AfD-Wählern in ihrer Verwandtschaft. Sie sucht Tipps, wie sie im Gespräch besser mit Ihnen umgehen kann. Eine andere Teilnehmerin heißt Gülnaz, ihre Eltern stammen aus der Türkei, sie ist in Deutschland geboren und in der telefonischen Kundenbetreuung tätig. Sie hat Diskriminierung am eigenen Leibe erfahren, als sie wegen ihres Kopftuchs angespuckt und als Kopftuchschlampe beleidigt wurde. Vom Workshop erhofft sie sich mehr Schlagfertigkeit, wenn sie mal wieder mit Beleidigungen und Angriffen konfrontiert wird. Auch Noomi Nee, deren Eltern aus Ghana eingewandert sind, hat mit Alltagsdiskriminierung zu kämpfen. Sie hört häufiger die Frage, wann sie in ihre Heimat zurückkehren würde. „Dabei bin ich Esserin“, wie sie selbst sagt.
Aufgrund zunehmender Diskriminierungserfahrungen, hat der Essener Verbund der Immigrantenvereine e.V., das Projekt „Together in Essen“ ins Leben gerufen. Die Projektleiterin des Verbundes, Katrin Maibaum, sagt in dem Zusammenhang: „Das Ziel unseres Projektes dient der Verbesserung von Argumentationskompetenzen bei Pauschalisierung und Diskriminierung im Alltag. Bei diesen Trainings werden die Teilnehmenden in ihrer Zivilcourage gestärkt. Sie erhalten hilfreiche Tipps für den Umgang mit Vorurteilen und es werden Positionen einer klaren Abgrenzung zu extremen Haltungen trainiert“
In der Ruhe liegt die Kraft
Im Gesprächskreis sammeln die Teilnehmenden mit der Moderatorin nach dem simulierten Stammtischgespräch Strategien gegen Parolen. Wichtig sei es vor allem ruhig zu bleiben, so unangenehm und verletzend die Hetze auch ist. Außerdem sei es ratsam nicht reflexhaft- und nicht notwendig auf jede Parole zu reagieren, gerade wenn die eigene Sicherheit gefährdet ist. Dr. Wisinger ergänzt: „Zunächst ist es wichtig sein Gegenüber zu verstehen. Jemanden während eines Gesprächs zu überzeugen ist schwierig. Aber im besten Fall ist es möglich, mit Impulsen zum Nachdenken anzuregen. Hierzu sind Nachfragen ein probates Mittel“.
Noomi Nee sagt nach dem Workshop, dass sie in Zukunft nicht mehr auf jede Diskussion eingehen werde, um sich selbst zu schützen. Vor allem das, nimmt sie neben den anderen hilfreichen Hinweisen mit.